Pina Bettina Rücker erforscht als Klangkünstlerin seit über 10 Jahren die musikalischen Einsatzmöglichkeiten ihrer Quarzglasschalen im konzertanten Raum. Diese stammen -als Quarztiegel- aus der Halbleiterindustrie, sie dienen der Züchtung von Silizium-Monokristall-Schichten. Pina Rücker hat aus dem faszinierenden Kontext von industrieller Hochtechnologie und analogem Sinuston ein neues Musikinstrument entwickelt und maßgeblich zu Akzeptanz und Einsatz in der musikalischen Welt verholfen. Ihre Auftritte finden in Kirchen, Konzerträumen, Galerien, Clubs statt, sie spielte auf Festivals für Klassik (mdr-musiksommer, moviementos) oder experimentelle Musik (sinwald, sinusTon, ZixP, StelzenFestspiele bei Reuth), für Yoga (YogaUnited), Weltmusik (Lauschrausch, Ancient Trance) Techno (KONG, Garbicz) und auch dem ChaosComputerClub - Congress. In Zusammenarbeit mit Künstlern wie Gesine Adler (Sopran), Hayden Chisholm (Saxophon), Kinan Azmeh (Klarinette), Gert Anklam (Sheng) entstanden sechs CD-Produktionen. Sie ist Mitglied des zwölfköpfigen „Ensemble Modele Reduit“ für experimentelle Musik und Improvisation. Audiovisuelle Arbeiten und Audioinstallationen entstanden mit Lucian Patermann (mixed media) oder Marek Brand/trashpuzzle. Des Weiteren: ’flugwesen’ (2019 Brehmgedenkstätte Renthendorf), Mitwirkung res.o.nant (Jüdisches Museum Berlin 2018)sowie TRaumKLangRaum (Tapetenwerk Leipzig mit VJ Grobkorn). Bisher entstanden drei Kompositionen für sie: Tamara Friebel „a fragmented hyazinth stain“ UA 2010; 2018 mit Hayden Chisholm; Urszula Myscinska „sunken cities“ (8-Kanal-Installation Wien 2009), Thomas Christoph Heyde „es kippt“ Videoinstallation GfZK 2013).
Die Reihe Solo + Gäste "wunderkammer" versucht, verschiedene Dimensionen von Zeit musikalisch zu erfassen. ZEITKRISTALL (wunderkammer) wird hörbarer Kristallisationspunkt von vier Zeitformen: Im Kern der Arbeit befinden sich analoge Klänge aus dem Material Siliziumdioxid, die auf verschiedene musikalische Denkmale/Artefakte (Melodien) des europäischen Mittelalters bis zur Renaissance (Blütezeit wunderkammer) zugreifen. Diese werden verwendet als Kontaktaufnahme zur geschichtlichen (linearen) Wahrnehmung von Zeit verwendet; die Volkslieder und Stücke der Gregorianik sind geographisch (räumlich) in Europa verwurzelt. Klang wird hier selbst Erinnerungsbild, Kontakt entsteht zur kulturellen Tiefenschicht, die Koexistenz von Vergangenheit und Zukunft in Klang und Material verschmilzt in gehörter / erlebter Gegenwart. Diese Melodien werden durch durch die besondere Schwingungsart der Klänge unter die Zeitlupe gehalten - es entstehen in der Aufnahme mikroskopische mikrotonale Raum-Klang-Bewegungen innerhalb der Melodien: eigene Klangräume hinter den Linien. Zeit wird so erfasst als historischer Raum und in der Gegenwart des Hörens als sich dehnender melodischer Raum, in dem wiederum eigene Räume innerhalb einer melodischen Linie entstehen - ein zusätzlicher RaumZeitAspekt entsteht oder wird abbildbar. Die Klänge sind Interface zum molekularen Reich von Sand und Wasser sowie zeitliche Kernschmelze von historischem Klang-Artefakt und Zukunftstechnologie. Eine Zeitreise im mehrfacher Hinsicht entsteht, die Klangobjekte sind Schmelzraum und Zuchtstation für Zukunftzeit.